Rechtsprechungsreport

Arbeitsvertragliche Befristung in elektronischer Form ist regelmäßig unwirksam

Der Fall

Der Arbeitnehmer im zu entscheidenden Fall war bereits bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf der Grundlage mehrerer befristeter Arbeitsverträge tätig gewesen. Kurz vor Auslauf der Befristung unterzeichneten die Parteien elektronisch einen Arbeitsvertrag, nach welchem das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall eines Sachgrundes weitergeführt werden sollte. Der Kläger rügte sowohl die Überschreitung der Befristungshöchstdauer als auch die seiner Ansicht nach nicht ordnungsgemäße Form des Vertragsschlusses durch die elektronische Signatur und beantragte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristung enden sollte, sondern unbefristet fortbestehe.

Die Beklagte vertrat die Auffassung, die Unterzeichnung mittels des Tools „e-Sign“ genüge den gesetzlichen Anforderungen an eine elektronische Signatur.

Die Entscheidung

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Entfristungsklage schon wegen der Überschreitung der zulässigen Höchstdauer Erfolg habe. Dem stehe auch nicht entgegen, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen grundsätzlich nur die in dem letzten Vertrag vereinbarte Befristung der Befristungskontrolle unterliegen solle, weil die Parteien durch den vorbehaltlosen Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage stellten, die für ihre Rechtsbeziehungen künftig allein maßgeblich sein solle, damit werde zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben (…). Sei aber, wie vorliegend, der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages von einer der Vertragsparteien insgesamt jedenfalls auch bestritten, fände diese Rechtsprechung keine Anwendung.

Zwar könne die Nutzung der elektronischen Form zur Wahrung des Formerfordernisses nach § 14 Abs. 4 TzBfG denkbar sein, weil nach § 623 BGB nur die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag in elektronischer Form ausgeschlossen sei. Da für die rechtliche Einordnung, ob es sich um einen auf die alsbaldige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Aufhebungsvertrag oder um eine auf die befristete Durchführung eines Dauerarbeitsverhältnisses gerichtete Vereinbarung handele, auf den Regelungsgehalt der getroffenen Vereinbarung abzustellen sei (…), dürfte nicht jede vereinbarte Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zwingend einen Aufhebungsvertrag i.S.d. § 623 BGB darstellen.

Die Form des § 126a BGB sei aber nicht gewahrt, da es sich bei der verwendeten elektronischen Signatur nicht um eine qualifizierte elektronische Signatur handele. Nach Art. 3 Nr. 12 der Verordnung (EU) vom 23.7.2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der RL 1999/93/EG (nachfolgend: eIDAS-VO) sei eine qualifizierte elektronische Signatur eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruhe, wobei eine fortgeschrittene elektronische Signatur nach Art. 3 Nr. 11 eIDAS-VO eine elektronische Signatur sei, die die Anforderungen des Art. 26 eIDAS-VO erfülle. Danach liege eine fortgeschrittene elektronische Signatur vor, wenn sie eindeutig dem Unterzeichner zugeordnet sei (Art. 26 Buchst. a) eIDAS-VO), die Identifizierung des Unterzeichners ermögliche (Art. 26 Buchst. b) eIDAS-VO), unter Verwendung elektronischer Signaturerstellungsdaten erstellt werde, die der Unterzeichner mit einem hohen Maß an Vertrauen unter seiner alleinigen Kontrolle verwenden könne (Art. 26 Buchst. c) eIDAS-VO), ferner müsse sie so mit den auf diese Weise unterzeichneten Daten verbunden sein, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden könne (Art. 26 Buchst. d) eIDAS-VO). Nach Art. 30 eIDAS-VO werde die Konformität qualifizierter elektronischer Signaturerstellungseinheiten mit den Anforderungen der Verordnung von geeigneten, von den Mitgliedstaaten benannten öffentlichen oder privaten Stellen zertifiziert. In der Bundesrepublik Deutschland sei die Prüfung privater Anbieter nach § 17 Vertrauensdienstegesetz (nachfolgend: VDG) der Bundesnetzagentur übertragen.

Das von der Beklagten verwendete Tool „e-Sign“ sei in diesem Sinne nicht als eine qualifiziert elektronische Signatur zu werten, da die danach erforderliche Zertifizierung nicht erfolgt sei. Das Tool stelle zwar eine fortgeschrittene elektronische Signatur i.S.d. Art. 26 eIDAS-VO dar. Die erforderliche Zertifizierung nach § 17 VDG, Art. 30 eIDAS-VO wurde seitens der Beklagten augenscheinlich aber nicht veranlasst, weshalb es an den besonderen Voraussetzungen für eine qualifizierte elektronische Signatur fehle.

Der Praxistipp

Arbeitgeber müssen prüfen, ob die von ihnen eingesetzten Tools zur Wahrung der Form des § 126a BGB über die erforderliche Zertifizierung verfügen. Eine lediglich fortgeschrittene elektronische Signatur ist nicht ausreichend.

Bei verbleibenden Unsicherheiten, ob das eigene Tool über eine entsprechende Zertifizierung verfügt, sollten Arbeitgeber bei zwingend formbedürftigen Verträgen besser weiterhin auf „die gute alte Schriftform“ setzen. Unzulänglichkeiten bei der elektronischen Signatur können im Zweifel sehr teuer werden. Sofern Arbeitgeber das Ziel verfolgen, keine Akten mehr in Papierform aufzubewahren, können die „analog“ unterzeichneten Vereinbarungen im Nachgang eingescannt und dann vernichtet werden, denn es genügt zur Wahrung der Schriftform, dass das Dokument im Zeitpunkt des Abschlusses der Form genügte. Eine analoge Aufbewahrung ist zur Erbringung des Formbeweises zwar sicherlich hilfreich, aber vermutlich nicht zwingend erforderlich. Der Nachweis, dass das gescannte Dokument in analoger Form vorgelegen hat, kann grundsätzlich auch durch einen Scan erbracht werden. Idealerweise sollte diesem eine Erklärung der Person beigefügt werden, die den Scan durchgeführt hat und in der diese erklärt, das Originaldokument sei so wie gescannt vorhanden und mit zwei originalen Unterschriften versehen gewesen.

(ArbG Berlin, Urt. v. 28.9.2021 – 36 Ca 15296/20)

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