Rechtsprechungsreport

Dienstplanänderungen während der Freizeit eines Arbeitnehmers

Der Fall

Der Kläger ist seit dem Jahr 2003 als Rettungssanitäter für die Beklagte tätig. Auf den Arbeitsvertrag der Parteien finden tarifvertraglichen Regelungen sowie Betriebsvereinbarungen Anwendung. In der Betriebsvereinbarung zu den Einsatzzeiten im Rettungsdienst sind u.a. die Grundsätze für die Erstellung der Dienstpläne festgehalten. Die Festlegung der Arbeitszeiten nach dem Dienstplan unterscheidet verschiedene Einsatzarten. Eine Möglichkeit der Diensteinteilung wird als sog. „unkonkreter Springerdienst“ bezeichnet. Bei der Einteilung zu einem solchen Dienst ist ein Mitarbeiter lediglich verpflichtet, sich an dem jeweiligen Tag um 7:30 Uhr telefonisch bei der Beklagten zu melden, um dann zu erfahren, ob er an diesem Tag Arbeitstätigkeiten zu erbringen hat.

Der Kläger war am 6.4.2021 bis einschließlich 19:00 Uhr für die Beklagte tätig. Zu diesem Zeitpunkt war er gemäß dem im Internet für alle Arbeitnehmer abrufbaren Dienstplan für den 8.4.2021 zu einem unkonkreten Springerdienst eingeteilt. Am 7.4.2021 änderte die Beklagte den Dienstplan. Nach dem geänderten Dienstplan sollte der Kläger am 8.4.2021 um 6:00 Uhr seinen Dienst antreten. Die Beklagte versuchte den Kläger zunächst telefonisch über die Änderung zu informieren. Nachdem sie den Kläger nicht erreichte, sandte sie ihm eine SMS mit der geänderten Dienstzeit. Der Kläger behauptet, diese SMS nicht zur Kenntnis genommen zu haben.

Als der Kläger sich um 7:30 Uhr telefonisch bei der Beklagten meldete, teilte diese mit, sie habe den nach dem geänderten Dienstplan ab 6:00 Uhr vorgesehenen Dienst nunmehr anderweitig besetzt und benötige die Tätigkeit des Klägers an diesem Tag nicht. Den nicht erfolgten Dienstantritt des Klägers nahm die Beklagte zum Anlass, diesem gegenüber eine Ermahnung auszusprechen.

Im September änderte die Beklagte neuerlich eine ursprüngliche Dienstplaneinteilung des Klägers während dieser sich in Freizeit befand. Der Kläger war wiederum telefonisch nicht zu erreichen. Die Beklagte sandte ihm daraufhin eine SMS sowie eine E-Mail, mit der über die Dienstplanänderung informiert wurde. Nachdem der Kläger seine Arbeitsbereitschaft telefonisch um 7:30 Uhr anzeigte, forderte die Beklagte ihn zur umgehenden Arbeitsaufnahme auf. Die später als im Dienstplan vorgesehene Arbeitsaufnahme nahm die Beklagte zum Anlass, gegenüber dem Kläger eine Abmahnung auszusprechen und Arbeitszeit erst ab dem tatsächlichen Dienstbeginn in der Wache anzurechnen.

Mit seiner Klage machte der Kläger die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte sowie die Korrektur des Arbeitszeitkontos geltend. Das Arbeitsgericht wies die Klage zurück (ArbG Elmshorn, Urt. v. 27.1.2022 – 5 Ca 1023a/21). Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichtes aufgehoben und der Klage im Wesentlichen entsprochen (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 27.9.2022 – 1 Sa 39 öD/22). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die jeweiligen Dienstplanänderungen grundsätzlich von dem Direktionsrecht der Beklagten gedeckt seien. Bei der Ausübung des Direktionsrechts handele es sich aber um ein Gestaltungsrecht des Arbeitgebers, für dessen Wirksamkeit es des Zugangs der Weisung bei einem Arbeitnehmer bedürfe. Den Zugang der Dienstplanänderungen habe die Beklagte, als darlegungs- und beweisbelastete Partei, jedoch nicht nachweisen können.

Der Kläger habe sich zur Zeit der jeweiligen Dienstplanänderungen in seiner Freizeit befunden. In dieser Zeit sei er nicht verpflichtet, sich für telefonische Benachrichtigung der Beklagten bereit zu halten. Auch könne die Beklagte nicht erwarten, dass er in dieser Zeit elektronische Nachrichten, unabhängig von dem gewählten Übermittlungsweg, zur Kenntnis nehme. Bereits das Öffnen und Lesen einer solchen Nachricht stelle eine neue Arbeitstätigkeit des Klägers dar, die während der ihm gewährten Freizeit nicht verlangt werden könne. Insoweit bestehe für jeden Arbeitnehmer ein Recht auf Unerreichbarkeit.

Dass der Kläger auf die Telefonanrufe der Beklagten nicht reagiert und die SMS sowie die E-Mail nicht während seiner Freizeit zur Kenntnis genommen habe, selbst wenn diese ihn erreicht hätten, stelle keine Vereitelung des Zugangs der Erklärung der Beklagten dar. Eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, auch außerhalb der Arbeitszeiten Nachrichten des Arbeitgebers entgegenzunehmen, bestünde nicht. Vielmehr verhalte sich die Beklagte widersprüchlich, wenn sie einerseits dem Kläger Freizeit gewähre und andererseits dessen Arbeitsaufnahme erwarte.

Der Praxistipp

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Schleswig-Holstein befindet sich auf einer Linie mit einer älteren Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Thüringen, wonach Arbeitnehmer im Regelfall nicht verpflichtet sind, dem Arbeitgeber ihre private Handynummer mitzuteilen (Urt. v. 16.5.2018 – 6 Sa 442/17). Die Erhebung der privaten Mobiltelefonnummer eines Arbeitnehmers gegen seinen Willen sei wegen des darin liegenden äußerst schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn der Arbeitgeber ohne Kenntnis der Mobiltelefonnummer im Einzelfall eine legitime Aufgabe nicht, nicht vollständig oder nicht in rechtmäßiger Weise erfüllen kann und ihm eine andere Organisation der Aufgabenerfüllung nicht möglich oder nicht zumutbar sei.

Beide Entscheidungen halten fest, dass ein Arbeitnehmer während der ihm gewährte Freizeit nicht verpflichtet ist, Arbeitsleistung zu erbringen. Eine Verpflichtung zur ständigen Erreichbarkeit bestehe gerade nicht. Im Ergebnis bedeutet das, dass Arbeitgeber Weisungen zu Ort und Umfang der Arbeitstätigkeit eines Arbeitnehmers, diesem nur während der Arbeitszeiten sicher zukommen lassen können. Die in vielen Branchen weit verbreitete Praxis, kurzfristige Dienstplanänderungen zu jeder Tages- und Nachtzeit unter Nutzung von Messengerdiensten zu kommunizieren, ist für Arbeitgeber daher mit einigen Risiken verbunden.

(LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 27.9.2022 – 1 Sa 39 öD/22)

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